Aussteiger Christian Ide hilft Kindern in Vietnam
Von SANDRA SIRRENBERG
Fritzlar. „Ich gehe weg, um armen Kindern zu helfen.“ Mit diesen Worten stellte Christian Ide aus Werkel seinen Vater, Fritz Ide, vor die vollendete Tatsache. Er wollte als Entwicklungshelfer nach Vietnam gehen. Wenige Monate später war er weg.
Der damals 36-Jährige hatte eine Topposition bei VW als Industriemeister, gerade ein Haus gekauft. Doch er wagte den Schritt.
Fast zwei Jahre nahm er keinen Urlaub, um 2007 vier Monate nach Indonesien reisen zu können. Dort arbeitete er mit Straßenkindern. Nach seiner Rückkehr ist klar: Er kann nicht zurück in sein altes Leben, will Bedürftigen helfen. Christian Ide bewarb sich als Entwicklungshelfer, wurde von 300 Bewerbern ausgewählt, in einem vietnamesischen Provinzdorf zu unterrichten und bei der Ausbildungssuche zu helfen.
Christian hat einen Zwillingsbruder. Vater Fritz Ide zog beide alleine groß. „Als er sagte, er ginge nach Vietnam, war es ein Schock für uns“, erinnert sich der Witwer. „Er hat mich nicht früher in seine Pläne eingeweiht. Aus Angst, ich könnte versuchen, ihn abzuhalten.“ Es ist nicht leicht für den pensionierten Richter. In den vergangenen Jahren hat er seinen Sohn nur einmal gesehen. „Ich selber kann nicht nach Vietnam reisen. Ich brauche Insulin und das muss ständig gekühlt werden.“ Nicht möglich in einem Nachtbus, der einzigen Verbindung zwischen Ha Noi und dem acht Stunden entfernten Ha Tinh, wo Christian lebt. „Ich hatte zwei Möglichkeiten: Sauer sein oder ihn unterstützen“, so der Vater. Er entschied sich für das Zweite. „Ich kümmere mich von hier um alles, was ich kann.“ Der Junior arbeitet an zahlreichen Projekten in Vietnam und Laos. Mit eigenen Mitteln und der Hilfe der Unesco baute er in Laos eine Schule. Nur die Einrichtung fehlt noch.
Eine Kuh hilft doppelt
Ein weiteres Projekt: Eine Kuhbank in Ha Tinh. Das Prinzip: Anstelle eines Geldbetrags erhält eine bedürftige Familie eine Kuh als Leihgabe. Sie hilft bei der Arbeit und bringt Milch. Das erste Kalb geht in den Besitz der nächsten armen Familie über. Mittlerweile haben fast 40 Familien rund um Ha Tinh ein Rind. „Eine einzige Kuh bewirkt dort unheimlich viel. Es herrscht bittere Armut“, weiß der Vater. In der Region um Ha Tinh müssen Bauern mit etwa 15 Euro pro Monat auskommen. Viele haben keine Nutztiere. Der Pflug wird noch von Menschen gezogen. Das Engagement des Entwicklungshelfers aus Fritzlar kennt keine Grenzen. Nebenbei arbeitet er mit behinderten Kindern und das nächste Projekt ist schon in den Startlöchern: Eine Bewässerungsanlage. Das Klima in Vietnam würde bis zu drei Ernten jährlich ermöglichen. Dazu fehlt Wasser. Mit einer einfachen Bewässerungsanlage für wenige tausend Euro ließen sich die Felder vieler Bauern versorgen. „Mein Arbeitspensum würde man in Deutschland als beträchtlich bezeichnen“, so der unermüdliche Entwicklungshelfer beim Telefoninterview aus dem fast 9 000 Kilometer entfernten Ha Noi. „Ich bezeichne es nicht als Arbeit, sondern als Berufung.“ Zur Zeit des Gesprächs weilte er bei einem Kongress in der Hauptstadt mit allen Entwicklungshelfern Vietnams. „Wir tauschen Erfahrungen und Kontakte aus.“ Ein wichtiges Treffen für den Einzelkämpfer. Anfangs war die Sorge um Christian groß. Gesundheitliche Probleme kamen hinzu. Mittlerweile wissen alle: Er geht seinen Weg. Sein Vater überzeugt: „Wir hätten ihn nicht aufhalten können.“ Vater Ide und Bekannte haben einen Verein gegründet. „Save the Childrens Souls“ (deutsch: Rettet die Kinderseelen) unterstütz mit Spendengeldern die Entwicklungsarbeit des Fritzlarers. „Wir sind stolz auf die ersten 1 000 Euro Spendengeld und hoffen, dass es weiter geht“, so der Vorsitzende. Doch es geht nur langsam voran. „Allein mit dem Finanzamt hatte ich einen Kampf über mehrere Monate“, so der Vorsitzende. Ob und wann Christian wieder ganz nach Deutschland zurückkehrt, ist ungewiss. Das weiß auch der Vater, dem nur Telefon und Internet zur Verständigung bleiben. „Ein Hoch auf Webcams“, so der Pensionär. „Ich höre und sehe, dass es ihm gut geht. Das ist doch das Wichtigste für einen Vater“, sagt der gestandene Mann. Doch wenn er über seinen Sohn spricht, wird die Stimme weich, die Augen feucht. „Ich vermisse ihn sehr, aber schließlich weiß ich wofür.“
Extra Info
Kontakt zum Verein
Save the Childrens Souls e.V.
Am Hilgenstein 31
Fritzlar-Werkel
www.savethechildrenssouls.org
Das Vereins-Spendenkonto:
Kontonummer: 110011228
BLZ: 520 521 54
Kreissparkasse Schwalm-Eder
Quelle: http://www.domstadt-nachrichten.de/index.php?artikel=55313
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